Elements of terror

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1. unverhältnismäßig

Es wird im Allgemeinen als eine wichtige Grundlage des zivilen Zusammenlebens empfunden, dass zwischen dem eigenen Tun, und der Reaktion auf dieses durch andere eine Verhältnismäßigkeit besteht, im Guten, aber auch bei Verstößen gegen allgemeine Regeln. So kann das Überqueren einer roten Ampel in Hamburg möglicherweise ein Bußgeld nach sich ziehen ebenso wie das unentgeltliche Benutzen des ÖPNV. Die Bestrafung des Verstoßes gegen die Regelung (hier: nicht bei Rot über die Ampel gehen) muss dabei allerdings einer anerkannten Verhältnismäsßigkeit folgen, um noch als gerecht empfunden zu werden. Das öffentliche Auspeitschen von Rot-Sünder_innen würde wohl kaum einen gesellschaftlichen Rückhalt finden, auch wenn die Kommentare der am Gehsteig verbleibenden Normkonformist_innen nicht selten auf anderes schließen lässt.

 

2. willkürlich

Neben dieser Konvention der Verhältnismäßigkeit gilt es auch als Grundsatz, dass die Sanktion, die Strafe, immer gleichartig ausfallen muss und nicht willkürlich sein darf, also nicht je nach Lust und Laune zwischen Bußgeld und Prügelstrafe schwanken darf.

3. zielgerichtet

Als Terror lässt sich vor diesem Hintergrund eine Situation beschreiben, in der auf Handeln eine Sanktion erfolgt, die unverhältnismäßig und willkürlich ist, also das Gegenteil einer zivilen Reaktion auf einen Normverstoß. Ziel von Terror ist denn auch nicht das zukünftig gesetzeskonforme Verhalten der Betroffenen, das „Lernen“ aus einem Fehler, sondern das Gegenteil. Terror soll verunsichern, zermürben und aufreiben, Terror soll Menschen dazu bringen, zu flüchten, auszuweichen, zu verschwinden, das Gemeinwesen zu verlassen.

Seit vielen Jahren gibt es in der BRD, wie auch weltweit, eine intensive Diskussion darüber, wie mit dem Besitz und dem Handel von Betäubungsmitteln umgegangen werden soll. In der bundesdeutschen Gesellschaft hat es sich etabliert, den Besitz und den Handel der statistisch gesehen gesundheitsschädlichsten Droge, Alkohol, nicht zu sanktionieren, wohl aber den Besitz oder Handel mit anderen bewusstseinsverändernden Substanzen. Cannabis wird von all den möglichen Suchtmitteln gemeinhin als die am wenigsten schädliche Substanz begriffen. Weite Teile der Gesellschaft fordern daher, den Besitz und Handel mit Cannabis ähnlich wie den von Alkohol straffrei zu lassen, also nicht zu sanktionieren. Eine Diskussion, die im Übrigen in vielen anderen Ländern bereits zu einer Legalisierung von Cannabis geführt hat. Schon heute zieht der Besitz einer geringen Menge Cannabis ( laut eines Vertreters der Polizeigewerkschaft auf einer öffentlichen Veranstaltung in Hamburg bis zu 10 g) lediglich eine Sanktion wie beim Missachten einer roten Ampel oder dem Fahren ohne Bahnticket nach sich.

Im „Krieg gegen die Drogen“

Vor diesem Hintergrund ist es erklärungsbedürftig, wenn Menschen für den Besitz oder den Handel  einer geringen Menge Cannabis von als Flaschensammlern verkleideten Zivilbeamten verprügelt und gejagt werden, wenn statt eines Bußgeldes Untersuchungshaft von mehr als einem Monat verhängt wird, wenn Wohnungen von Spezialeinheiten unter vorgehaltener Waffe durchsucht werden.

Das Vorgehen der Polizei gegen die sog. „Drogenszene“ in St. Pauli Süd, ist nach dem oben beschriebenen Kriterien in seinen Maßnahmen absolut willkürlich, hat jede Verhältnismäßigkeit längst hinter sich gelassen und kann folglich nur noch als Terror bezeichnet werden.

Elemente von Terror statt Strafverfolgung

Der Hamburger Senat hat nach eigenen Aussagen der sog. Drogenszene den Krieg erklärt und setzt dabei Elemente von Terror gezielt ein, um Menschen zu zermürben und zu vertreiben. Nicht die Strafverfolgung, nicht die gerichtlichen Strafen, die angesichts der geringen Mengen festgestellter Betäubungsmittel (BtM) auch nur gering ausfallen können, sind dabei das Mittel der Wahl, sondern der brutale und willkürliche Terror der Polizei – polizeiliches Handeln als eine Spielart des Standrechtes.

Das Problem heist Rassismus

Dieser Polizeiterror richtet sich offensichtlich gegen die schwarzen Menschen im Stadtteil, die anscheinend auch von einigen Anwohner_innen als „störend“ empfunden werden. Ein Anliegen, dass dem Grunde nach rassistisch ist, denn allen Bewohner_innen des Stadtteils ist klar, dass seit mehr als 30 Jahren an der Balduintreppe gedealt wird, und dass nicht abzusehen ist, daß sich an der Nachfrage etwas ändern wird. Es geht bei diesem „Krieg“ also nicht um Drogen, sondern um die Menschen, die sie verkaufen.

Vom Krieg gegen die Drogen zum Krieg gegen die Menschen

Bereits im Jahr 2001 führte der damalige SPD Innensenator Scholz seinen Krieg gegen die Drogen und etablierte in Hamburg die Folter mit Brechmitteln – wenige Monate später kam Achidi John dabei um. Seitdem sind 15 Jahre vergangen und noch immer ist rassistischer Polizeiterror das sozialdemokratische Mittel der Wahl, wenn es um Drogenpolitik geht. Der Tod von Jaja Diabi, der im Frühjahr 2016 im Rahmen dieses Polizeiterrors in Untersuchungshaft zu Tode kam, markiert einen neuen Tiefpunkt dieser Entwicklung und macht einmal mehr deutlich, dass auch eine Drogenpolitik, die seit mehr als 15 Jahren auf der Stelle tritt, über Leichen gehen kann.

Kofi Annan, ehemaliger UN-Generalsekretär, und alles andere als Pazifist, hat im Jahr 1998 den Krieg gegen die Drogen in den Mittelpunkt seiner Politik gestellt.

Im Jahr 2016 kommt er rückblickend zu der Einsicht, dass der Krieg gegen die Drogen längst zu einem Krieg gegen Menschen geworden ist. Eine Einsicht, der sich die Hamburger Sozialdemokratie wieder besseren Wissens beharrlich verschließt.