Als Anwohner_in der Balduintreppe fühlt es sich so an, als lebten wir mitten in einer polizeilichen Maßnahme. Mit dem neuen Jahr wird die polizeiliche Repression massiv verschärft und die Menschenjagd weiter vorangetrieben.
Die Cops sind am 6.1. sogar im HVV-Bus vorgefahren, getarnt als Linie 112, Innenbeleuchtung ausgeschaltet. Auf Höhe der Hafenstrassenhäuser hielt der HVV-Bus plötzlich an und ca. 12 Cops sprangen aus dem Bus und jagten Schwarze Männer durch die Strasse.
Teilweise mehrmals am Tag wird man Morgens und mittags, aber vor allem Abends und nachts Zeuge von der Polizeipräsenz, rassistischen Kontrollen, Polizeigewalt und Menschenjagden durch die Strassen. Von der morgendlichen Bewachung der Schule über umherstreifende Zivicops bis zum abendlichen Belagerungszustand vor der Vokü, die Polizei hat faktisch mittlerweile ihre mobile Wache an der Balduintreppe eingerichtet.
Für alle, die nicht tagtäglich mitbekommen, was hier los ist, ein kleiner Einblick in den alltäglichen Ausnahmezustand der letzten Wochen.Das Ganze exemplarisch anhand der dokumentierten Vorfälle nur EINES EINZIGEN Tages der letzten Woche.
- Es beginnt schon morgens, 7:30 Uhr, eine Wanne ist auf der Feuerwehreinfahrt der Hafenstrasse positioniert. 8:00 Uhr, es kommt eine Wanne auf der Bernhard-Nocht-Str. /Ecke Balduinstrasse hinzu. 15:30 Uhr, Zivis sind unterwegs in den Strassen. 15:40 Uhr, die Cops holen 2 Personen aus dem Plan B Garten, die dort saßen um sich aufzuwärmen. Sie werden mit auf die Wache genommen.18:00 Uhr, ein Mann wird auf dem Weg zu den Landungsbrücken festgenommen. Ingewahrsamnahme bis in die frühen Morgenstunden. Einzige Begründung: „Aufenthalt an einem gefährlichen Ort“.
Ca 19:00 Uhr: S-Bahn Reeperbahn, 2 Kontrollen hintereinander. Einer der Männer wird gewaltsam an die Wand gedrückt. Er beschwert sich über den Rassismus der Polizei.
20 Uhr, Park Fiction, ein Mann wird festgehalten. Der Vorwurf: er sei gerannt. Abgesehen von der Absurdität des Vorwurfs kommt hinzu, dass er noch nicht einmal gerannt ist. Der Mann wird von der Polizei mitgenommen.
20 Uhr, Hafenstrasse, ein Mann wird kontrolliert, zur ID-Behandlung mitgenommen.
ca. 22 Uhr: die Cops belagern die Hafenstrasse
Es macht den Eindruck, als fände derzeit eine Massenidentitätsfeststellung von Schwarzen Männern statt. Diejenigen, die noch nicht erfasst sind, werden zur erkennungsdienstlichen Behandlung mitgenommen. Platzverweise infolge von Kontrollen sind schon lange Standard, doch die Situation scheint sich zu verschärfen.
Bei Kontrollen dieser Art mehren sich Berichte, nach denen die Polizei Schwarze Männer lediglich aufgrund ihres bloßen Aufenthalts an einem „gefährlichen Ort“ über mehrere Stunden oder über Nacht in Gewahrsam nimmt. Das heisst Schwarzen Männern wird grundlos ihre Freiheit entzogen, ohne dass ein konkreter Tatverdacht besteht.
Weiter wird berichtet, dass Polizeibeamte Festgenommene einschüchtern und versuchen, die Betroffenen von anwaltlicher Hilfe fernzuhalten, bei Kritik an den polizeilichen Maßnahmen lediglich auf nachträglichen Rechtsschutz hinweisen und Anwälten Falschinformationen gegeben werden.
Am 19.1. kam es zur Urteilsverkündung im Prozess gegen einen Anwohner wegen Beleidigung. Er hatte sich beschwert, als die Cops auf der Strasse einen Schwarzen Mann brutal zu Boden drückten. Obwohl der Richter bereit war, das Verfahren gegen Auflagen einzustellen, beharrte die Staatsanwaltschaft auf einer Geldstrafe, weil es in dem Bereich St. Pauli „häufig zu Störungen durch Anwohner kommt.“ Der Anwohner bekam also 450,-€ Strafe plus Gerichtskosten und Auslagen.
Das ist ein Einschüchterungsversuch gegenüber allen, die diesen Zustand auf St. Pauli nicht hinnehmen wollen
Nehmen wir es als Aufforderung, bei Kontrollen stehen zu bleiben, zu dokumentieren, Unterstützung anzubieten und Anwälte zu informieren…
…und als Aufforderung Repressionskosten gemeinsam zu tragen.
Gelegenheit, viele Soli-Getränke zu trinken gibt es bei der Auftakt-Kneipe der neuen Reihe „Keine Macht den Drogenfahndern“ unter dem Titel „Grütze im Hirn“,am Freitag, den 27.1. ab 20 Uhr im Plan B – Keller.