STREIFLICHTER DER MENSCHENJAGD Juli 2018

Die schleichende Normalisierung der polizeilichen Dauerpräsenz schreitet voran. Ob beim sommerlichen Gießen des Stadtparks der „nette Beamte“ mit dem Wasserwerfer „aushilft“ und Kinder munter und fröhlich im Nieselregen eines Instruments der Aufstandsbekämpfung springen, vollbewaffnete Beamte auf Langstrecken in der Bahn fahren, mit deren Pistole mensch dann stundenlang in Tuchfühlung sitzt, oder durch die Dauerinstallation von 2-3 Beamt*innen an der Hafenstrasse und in Park Fiction, die Touris
gerne mal den Weg erklären oder ganz bürgernah Beschwerden aus der Nachbarschaft aufnehmen.

Auch die Dauerbeobachtung von Anwohner*innen und Besucher*innen der Hafenstrasse und dort sich aufhaltenden Personen wird zur Routine. Zu polizeilichem Handeln gehört hier: Verfolgen bis zum Hauseingang, in Fenster privater Wohnhäuser schauen, Kontrollen und Untersuchung der Autos von Anwohner*innen, Annähern an Menschengruppen und Mithören von deren Gespräch auf der Strasse, Ahndung von Kleinstdelikten wie Vögel füttern oder Hund ohne Leine lassen, sich in Hauseingängen verstecken, Klingelschilder und Personen abfotografieren, in Briefkästen nachschauen, was darin ist… Es gibt viele Gesichter staatlicher Machtdemonstration.
Ganz konkret bedeutet dies auch für verschiedene Menschen brutale Festnahmen, Verletzungen und zum Teil Haft oder Abschiebung. Die brutale Gewaltanwendung rund um die Balduintreppe ist alltäglich geworden.
Allein aus dem Juli 2018 seien hier ein paar Beispiele des alltäglichen Terrors geschildert:

  • Bei einer der vielen Kontrollen an der Balduintreppe werden Unmutsbekundungen darüber laut. Die Polizei dreht durch, nächtliche Eskalation: es kommt zum brutalen Einsatz von Pfefferspray und Schlagstock gegenüber einer 16 jährigen, die mit zur Wache genommen wird. Es wird noch Verstärkung gerufen und die Balduintreppe gesperrt
  • Vormittags, Balduintreppe: Ein Schwarzer Mann versucht sich bei einer Personenkontrolle der Gewalt zu entziehen und flüchtet in den Plan B Garten. Das hat einen mehrstündigen Großeinsatz der Polizei zur Folge, trotz Anwält*innen vor Ort und Gesprächen wird der Mann gewaltvoll aus dem Garten gezogen und mitgenommen.
  • S-Bahn Reeperbahn Samstag nachts: Großkontrolle nach Flaschen, Messern und Drogen, aber nicht für alle gleichermaßen. Gesondert kontrolliert werden wohl Personen, die aus polizeilicher Perspektive irgendwie verdächtig aussehen. Beobachter*innen berichten, kontrolliert worden sei vor allem nach rassistischen Kriterien oder wem dem Äusseren nach irgendwie zugeschrieben worden konnte „arm“ zu sein. St. Pauli und Reeperbahn am Wochenende, nur noch als weisse
    deutsche Kartoffelparty des Mittelstands?
  • Vormittag, wochentags: mehrere Beamte drücken auf der Strasse brutal einen Schwarzen Mann zu Boden. Er schreit vor Schmerz und hat offensichtlich große Angst. Die Körperhaltung, in die in die Beamt*innen zwingen ist entwürdigend, Gesicht auf die Strasse gedrückt, Gesäß nach oben die Hose rutscht. Beobachter*innen schildern entsetzt die von den Beamt*innen massiv eingesetzte Gewalt und verstehen dies als eine Art Selbstjustiz in Form öffentlicher Bestrafung.
  • Ein weisser älterer Mann, Anwohner der Hafenstrasse, kritisiert die Maßnahmen der Polizei. Er weist Beamte auf ihre Eigenverantwortung in ihrem Handeln und Tun hin und dass man sich nicht einfach mit Bezug auf eine Dienstanweisung aus der Verantwortung ziehen könne. Er mach deutlich, was er von den Beamt*innen und ihren Maßnahmen hält und möchte sich darauf auch nicht ausweisen. Die Diskussion endet kurzer Hand für den Mann. Sie nehmen ihn mit zur  Davidwache.
  • Ein Schwarzer Anwohner wird an einem Tag zweimal von der Polizei vor Ort kontrolliert und bekommt einen Platzverweis, keine 100m von seiner Haustür entfernt. Auf seinem Heimweg am selbigen Tag wird ihm vorgeworfen, sich nicht an den Platzverweis zu halten. Den Hinweis auf die Unrechtmäßigkeit und dass das Racial Profiling der Polizei nicht dazu führen kann, dass der Anwohner sich nicht mehr in seinem Wohnumfeld bewegen kann, endet für den Anwohner mit einer Ingewahrsahmnahme. Der Aufenthalt in der Davidwache dauert über fast 3 Stunden an.

Dies ist keine komplette Darstellung und nur kleiner Ausschnitt der gewaltvollen Zustände rund um die Balduintreppe. Immer wieder regt sich Protest gegen die Polizeikontrollen. Erst im im April sammelte sich eine Demo, um die rassistischen Kontrollen und die polizeiliche Praxis zu kritisieren. Auch lokale Presse wie die Mopo kommentierte im Juli die Situation als politisches Versagen, das nicht mit polizeilicher Repression gelöst werden kann und ein Umdenken erfordert. Das Amtsgericht Hamburg bestätigte Ende Juli die Unrechtmässigkeit der Hausdurchsuchung des Wohnprojekts Plan B. Der bewaffnete Einbruch in das Wohnprojekt, welchen die Polizei im Sommer 2016 medienwirksam durchzog, diente vor allem der Kriminalisierung und der Einschüchterung.
Doch ungeachtet der Kritik an den polizeilichen Maßnahmen werden Repression und Schwerpunkteinsätze fortgeführt. Laut NDR prüft die Hamburger Polizei derzeit sogar erneut den Einsatz von Tasern im täglichen Dienst, Elektroschock-Geräte, deren Einsatz in den USA schon zu bis zu 1000 Toten geführt hat. Begründet wird das Interesse an deren Einsatz unter anderem damit, dass Personen häufig schon beim Anblick kooperativ und Störer weniger Widerstand leisten würden.

Verfehlte Drogenpolitik die über Leichen geht!

hier der Text als PDF

A5_Flyer_Streiflichter_2